Cracked Labs

Institut für kritische digitale Kultur

Algorithmisches Management via Smartphone

Digitale Steuerung und Kontrolle von Beschäftigten im Außendienst – von technischer Wartung bis mobile Pflege

Eine Studie von Cracked Labs im Auftrag der Arbeiterkammer Wien, April 2025

Autor: Wolfie Christl, Illustration: Pascale Osterwalder

Beschäftigte im Außendienst, die jeden Tag an wechselnden Orten arbeiten, werden zunehmend via Smartphone gesteuert und kontrolliert. Aus einer App, die über Termine informiert und der elektronischen Dokumentation von Arbeitstätigkeiten dient, wird schnell eine Art „Management via App“. Im Hintergrund sitzen mächtige Software-Systeme, die Betrieben bei der Koordination von Einsätzen helfen und die Zuweisung von Arbeitsaufträgen automatisieren und optimieren. Im Extremfall wird jeder Arbeitsschritt via App vorgegeben und überwacht, die Arbeit rigide digital strukturiert und maximal beschleunigt. Automatisiert zugewiesene Termine führen zu unkalkulierbaren Arbeitstagen, geschäftliche Risiken und unvorhersehbare Verzögerungen werden auf möglichst wenig Personal abgewälzt. Beschäftigte werden unter Druck gesetzt, verlieren an Handlungsautonomie und erleben das algorithmische Management via App als dysfunktionale Willkürherrschaft.

Diese Studie untersucht aktuelle Software für den Außendienst von Microsoft und anderen Herstellern, den praktischen Einsatz mobiler Technologien in Betrieben unterschiedlicher Branchen in Österreich und in anderen Ländern, die potenziellen Auswirkungen auf Beschäftigte und die Herausforderungen, die sich daraus für Mitbestimmung und Interessenvertretung ergeben. Die Studie baut auf mehreren Jahren Forschung zum Thema auf und ist Teil des Projekts „AK Monitoring“ der Arbeiterkammer Wien, das auf eine kontinuierliche Beobachtung und Bewertung neuer technischer Entwicklungen in der Arbeitswelt abzielt.

 
Download der Studie
Wolfie Christl (2025): Algorithmisches Management via Smartphone. Digitale Steuerung und Kontrolle von Beschäftigten im Außendienst – von technischer Wartung bis mobile Pflege. Eine Studie von Cracked Labs im Auftrag der AK Wien, April 2025.
» Studie als PDF (91 Seiten)

Die Studie auf der Website der Arbeiterkammer Wien:
» wien.arbeiterkammer.at

Berichterstattung und Social Media:
» heise.de ("Algorithmische Willkürherrschaft: Zunehmende Überwachung per App im Außendienst", 29.4.2025)
» Posts/Threads zur Veröffentlichung der Studie auf Bluesky, Mastodon, LinkedIn

Frühere Forschung von Wolfie Christl zum Thema:
» Studie "Digitale Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz" (2021)
» Case studies on algorithmic control and surveillance in the workplace (2023-2024)

Kurzfassung der Studie

Folgende Kurzfassung ist auch in der vollständigen Studie (PDF) zu finden, die auch alle Quellen für die Aussagen in der Kurzfassung enthält.

Beschäftigte im Außendienst von technischer Wartung bis mobile Pflege, die jeden Tag an wechselnden Orten arbeiten, werden zunehmend via Smartphone gesteuert und kontrolliert. Eine mobile App gibt digitale Anweisungen über Termine, Fahrziele und vor Ort durchzuführende Aufgaben und zeichnet Daten über Arbeitstätigkeiten, Bewegungen und andere Verhaltensweisen auf. Im Hintergrund sitzen mächtige Software-Systeme, die Betrieben bei der Koordination von Terminen und Einsätzen helfen und die Zuweisung von Arbeitsaufträgen automatisieren und optimieren. Führungskräfte und Disponent:innen im Innendienst können Standorte und Arbeitsfortschritte in Echtzeit überwachen, Arbeitsleistung bewerten und unerwünschtes Verhalten identifizieren. Im Extremfall wird jeder Arbeitsschritt über die App vorgegeben und die Arbeit rigide digital strukturiert und maximal beschleunigt. Arbeitnehmer:innen in Österreich sind dem nicht hilflos ausgeliefert. Neben Grundrechten, Datenschutz und der arbeitsrechtlich garantierten demokratischen Mitbestimmung über den Betriebsrat kann eine effektive gewerkschaftliche Interessenvertretung dazu beitragen, die Risiken und Nebenwirkungen für Beschäftigte zu entschärfen.

Diese Studie untersucht mobile Technologien und Software für den Außendienst, ihren praktischen Einsatz in Betrieben in Österreich, die potenziellen Auswirkungen auf Beschäftigte und die Herausforderungen, die sich daraus für Mitbestimmung und Interessenvertretung ergeben. Sie analysiert erstens auf Basis von Handbüchern, technischer Dokumentation und anderen Quellen, welche Funktionen aktuelle Software für den Außendienst bietet. Exemplarisch wird das Außendienst-System von Microsoft („Dynamics 365 Field Service“) untersucht, dazu einzelne Funktionen von anderen Softwareherstellern wie SAP, Salesforce und Oracle. Zweitens zeigen Fallbeispiele aus Österreich und anderen Ländern, wie Außendienst-Technologie in konkreten Betrieben eingesetzt werden und welche Risiken und Nebenwirkungen sich für Beschäftigten ergeben – auf Basis von Interviews mit Betriebsrät:innen und existierender Feldforschung. In einem dritten Schritt werden potenzielle Auswirkungen auf Beschäftigte entlang wesentlicher Themenfelder systematisiert und Handlungsoptionen für Betriebsrät:innen herausgearbeitet – unter Einbeziehung von Literatur und Interviews mit Expert:innen aus der gewerkschaftlichen Beratungspraxis und Interessenpolitik. Abschließend werden überbetriebliche Herausforderungen und (interessen)politische Handlungsoptionen skizziert.

Die Studie knüpft an frühere Forschungsergebnisse des Autors an und ist Teil des Projekts „AK Monitoring“ der Arbeiterkammer Wien, das mit Methoden der Technikfolgenabschätzung und der strategischen Vorschau auf eine kontinuierliche Beobachtung und Bewertung neuer technischer Entwicklungen in der Arbeitswelt abzielt.

 

Infografik - Wie Betriebe die Funktionen der Außendienst-Software von Microsoft einsetzen können. Quellen siehe Studie.

Mobile Apps und Technologien für den Außendienst

Das untersuchte Außendienst-System von Microsoft wird für den Einsatz in unterschiedlichen Branchen von technischer Wartung und Versicherungswirtschaft bis Heimkrankenpflege, Gartenbau und Reinigung beworben. Es bietet weitreichende Funktionen zur algorithmischen Steuerung und Kontrolle:

  • Hauptbestandteil des Systems ist eine mobile App, die den Mitarbeiter:innen im Außendienst Anweisungen über Einsatz- und Terminpläne, Fahrtziele, Routen und einzelne Arbeitsaufgaben geben kann. Für Arbeitsaufträge und sogar für einzelne vor Ort durchzuführende Aufgaben können zeitliche Zielvorgaben definiert werden. Die Beschäftigten bestätigen laufend in der App, wann sie einen Auftrag annehmen, losfahren, vor Ort ankommen, den Auftrag abschließen oder eine Pause machen. Einzelne Aufgaben können mit interaktiven Checklisten weiter digital untergliedert werden. Beschäftigte werden laufend über zeitliche Anforderungen und Abweichungen informiert. Mit der App kann Arbeit rigide digital strukturiert werden. Je nach konkretem Einsatz im Betrieb kann sie zum algorithmischen „Mikromanager“ für den Außendienst werden.
  • Betriebe können vielfältige Überwachungsfunktionen nutzen, um Arbeit zu organisieren, Beschäftigte zu beaufsichtigen oder Druck auszuüben. Disponent:innen im Innendienst sehen Standorte und Routen in Echtzeit auf einer Karte und können aus der Ferne nachvollziehen, welche Aufträge und Arbeitsaufgaben bereits erledigt wurden. Für abgeschlossene Aufträge wird die benötigte Zeit im Vergleich zur geplanten Zeit angezeigt.
  • Führungskräfte haben Zugriff auf Berichte, die Auswertungen für Gruppen und einzelne Beschäftigte darstellen – teils in Form von Ranglisten. Mehrere der dargestellten Kennzahlen eigenen sich zur Bewertung von Arbeitsleistung und Verhalten – etwa die für Arbeitsaufträge benötigte Zeit, der Anteil verspäteter Ankünfte und nicht im geplanten Zeitfenster abgeschlossener Aufträge sowie Bewertungen einzelner Beschäftigter nach dem Grad der „Kundenzufriedenheit“. Auch Zahlen über die Zeit, die mit Arbeitstätigkeiten, Fahrten, Pausen oder im unproduktiven „Leerlauf“ verbracht wurde, stehen zur Verfügung. Mit dem Analysewerkzeug Power BI können weitere Berichte erstellt werden, die etwa die benötigten Zeiten mit Vorgaben vergleichen oder Ranglisten entlang der von den Mitarbeiter:innen erwirtschafteten Umsätze darstellen.
  • Die GPS-Ortung der Beschäftigten ist optional, wird aber von einigen Funktionen vorausgesetzt. Microsoft empfiehlt, den Standort alle 60 bis 300 Sekunden zu erfassen und bietet Zugriff auf digitale Standortprotokolle.
  • Das System bietet vielfältige Funktionen zur Planung, Automatisierung und Optimierung der Termin- und Einsatzplanung und damit zur algorithmischen Zuweisung von Arbeitsaufträgen an Beschäftigte. Dazu müssen im System „Vorlagen“ für typische Arbeitsaufträge angelegt werden, die durchzuführende Aufgaben und geschätzte Zeiten definieren. Konkrete neue Arbeitsaufträge gehen über Kundenanfragen ein oder werden durch Störmeldungen von Anlagen automatisch erstellt. Auch Arbeitsaufträge für regelmäßige Einsätze wie wöchentliche Inspektionen können automatisiert erstellt werden. Die vordefinierten Aufgaben und Zeiten für Arbeitsaufträge fließen in die automatisierte Berechnung von Termin- und Einsatzplänen ein. Die Beschäftigten erhalten das Ergebnis und damit die ihnen zugewiesenen Aufträge über die App. Das System kann Tagespläne für die ganze Belegschaft erstellen und die Pläne alle 30 Minuten neu „optimieren“.
  • Um anstehende Arbeitsaufträge auf die Mitarbeiter:innen aufzuteilen, werden Daten über deren Verfügbarkeit, Standorte, Arbeitsfortschritte, vorhergesagte Fahrzeiten und Qualifikationsprofile einbezogen. Die Berechnung erfolgt auf Basis definierter „Optimierungsziele“. Die von Microsoft unter dem Titel „Produktivität maximieren“ angebotenen Einstellungen minimieren Fahr- und Leerlaufzeiten und maximieren die Auslastung. Disponent:innen können die automatisierte Berechnung beaufsichtigen oder Vorschläge für „passende“ Beschäftigte erhalten. Damit wird aus dem automatisierten System ein semiautomatisierten Assistenzsystem.
  • Trotz Zweifel über die Zuverlässigkeit generativer KI hat Microsoft den hauseigenen Copilot bereits in viele betriebliche Software-Systeme eingebaut – auch in das Außendienst-System. Während Copilot als Mittel zur Beschleunigung von Arbeit beworben wird, werden die Beschäftigten permanent darauf hingewiesen, die generierten Ergebnisse zu prüfen, da sie „falsch“ sein könnten.

Die Außendienst-Systeme anderer Hersteller wie SAP, L-mobile, Salesforce und ServiceMax bieten ähnliche Funktionen zur Bewertung der Arbeitsleistung – darunter Ranglisten, die Beschäftigte nach der für Tätigkeiten benötigten Zeit, ihrer „Rückrufquote“ oder dem Anteil der beim ersten Kundenbesuch gelösten Probleme reihen.

Betriebe können die Software von Microsoft und anderen Herstellern anpassen und damit in einer mehr oder weniger problematischen Weise einsetzen. Microsoft hat bis vor kurzem Funktionen zur KI-basierten Prognose künftiger Arbeitsleistung auf Basis von Daten über vergangene Verhaltensweisen angeboten, diese jedoch nach einer vom Autor 2024 veröffentlichten Studie aus der Software entfernt. Im Außendienst-System von Oracle können KI-basierte Prognosen über die künftige Arbeitsleistung direkt in die algorithmische Einsatzplanung einfließen. Die Software kann Beschäftigte laut Oracle „ohne menschliches Eingreifen“ an einen neuen Einsatzort schicken. In der App kann ein Timer angezeigt werden, der die verbleibenden Minuten für eine Aufgabe herunterzählt.

Praktischer Einsatz von Außendienst-Technologien in Österreich und anderen Ländern

Forschung zum Einsatz von Außendienst-Technologien in konkreten Betrieben und dessen Auswirkungen ist rar. Eine Reihe von interviewbasierten Fallbeispielen und Feldstudien zeigt, dass digitale Steuerung und Kontrolle via App auch in Österreich eingesetzt wird. Auch wenn sie keine Auskunft darüber geben, welche konkreten Softwareprodukte eingesetzt werden, zeigen sie die potenziellen Nebenwirkungen mobiler Technologie im Außendienst:

  • Ein interviewbasiertes Fallbeispiel aus der mobilen Anlagenwartung in Österreich zeigt, wie zunehmend einzelne Arbeitsschritte via Smartphone digital vorgegeben werden. Eine Karte in der Zentrale zeigt, wer gerade woran arbeitet. Auch wenn die GPS-Ortung nur auf freiwilliger Basis erfolgt, kennt das System die aktuellen Standorte der Beschäftigte, die in der App bestätigen, wann sie wo ankommen, woran sie arbeiten und wann sie wieder ins Fahrzeug steigen. Es wird eine digitale „Starrheit“ wahrgenommen, die kaum Korrekturmöglichkeiten zulasse. Die benötigten Zeiten für einzelne Arbeitsschritte werden auf Minuten- oder Sekundenniveau diskutiert. Die für Tätigkeiten verfügbare Zeit hat sich im Lauf der Jahre auf einen Bruchteil reduziert. Sogar Kundenfirmen erhalten Zugriff auf Echtzeit-Daten über Arbeitstätigkeiten und Beschäftigte.
  • Ein anderes Fallbeispiel aus der Gebäudetechnik in Österreich zeigt eine sanftere Form der digitalen Arbeitsorganisation via App. Es gibt nur grobe zeitliche Vorgaben für Arbeitsaufträge, die oft mehrere Tage dauern. Einzelne Aufgaben werden weder zeitlich vorgegeben noch digital dokumentiert. Es gibt jedoch Auswertungen, die Teams vergleichen und indirekt Druck ausüben. Größtes Problem ist der Wegfall gemeinsamer Tage im Büro, was das Zusammengehörigkeitsgefühl unterminiert und die Betriebsratsarbeit erschwert habe.
  • In der mobilen Pflege kann sich die digitale Dokumentation und Tourenplanung über eine App umso drastischer auswirken, denn es gibt im Namen der Abrechnung mit der Krankenkasse meist Zeitvorgaben für einzelne Pflegetätigkeiten – wie etwa 20 Minuten für einen Verbandswechsel. Ein Fallbeispiel aus Österreich zeigt eine Organisation, in der die Pflegekräfte auf einer Skala von 1 bis 10 unter einem Stresslevel von „7 bis 9“ stünden. Hauptursache ist in diesem Fall aber nicht die minutengenaue Tätigkeitsdokumentation und Einsatzplanung via App, sondern hohes Arbeitsvolumen und Personalmangel. Auch wenn der Betriebsrat das mobile System relativ gut geregelt sieht und kein Datenmissbrauch durch Führungskräfte vermutet wird, erzeugt es ein Gefühl der Kontrolle und wird als „starr“ wahrgenommen. Es gibt Diskussionen über falsch gebuchte Tätigkeitskategorien, fehlende Zeitpuffer und Fahrtzeiten.
  • Weitere Beispiele aus der mobilen Pflege in Österreich und Deutschland zeigen, dass sich Pflegekräfte dort besonders überwacht und unter Druck gesetzt fühlen, wo sie auf Zeitüberschreitungen angesprochen werden oder sich rechtfertigen müssen. Die digitale Strukturierung von Pflegetätigkeiten mit Zeitvorgaben führt zu Stress und Umgehungsstrategien. Teils wird Pflegezeit als Fahrtzeit eingetragen oder es wird gar die Zeiterfassung gestoppt und die Betreuung in der unbezahlten Freizeit abgeschlossen. Die digitale Steuerung hat zu einem Verlust von Erfahrungswissen geführt. Pflegekräfte vergessen bei einem Ausfall auf Routinen. Die zentrale Tourenplanung über die App wird teils als einengend und dysfunktional wahrgenommen. Teils werden unrealistische Wegzeiten geplant. Beispiele aus Deutschland zeigen Apps, die mit Ampelfunktionen an Arbeitsaufgaben erinnern oder akustisch vor dem Ablauf der vorgegebenen Minutenwerte warnen.

Eine Befragung von rund 300 Beschäftigten im Außendienst in Österreich aus dem Jahr 2012 zeigt, dass sich etwa 60% durch den Einsatz mobiler Technologien mehr bei der Arbeit kontrolliert fühlen. Über 30% vermuten, dass es mehrmals jährlich zu unzulässigen Auswertungen oder anderen Formen des Datenmissbrauchs durch den Betrieb kommen. Als Beispiele werden der Zugriff auf Leistungsdaten, GPS-Daten oder Anrufprotokolle erwähnt. Eine Betriebsratsbefragung aus 2021 zeigt, dass Systeme für mobiles Arbeiten, Dokumentation und Tätigkeitserfassung oft ohne Betriebsvereinbarung im Einsatz sind und Betriebe ihren Informationspflichten nicht nachkommen.

Forschung aus Norwegen. Eine der wenigen umfassenden Studien über den Einsatz von Außendienst-Technologien stammt aus Norwegen und basiert auf Interviews in 52 Firmen und Organisationen in verschiedenen Branchen – darunter Elektroinstallation, Straßenwartung, Reinigung, Sicherheitsdienste und mobile Pflege:

  • Die Studie zeigt, dass viele Betriebe Echtzeitdaten aus mobilen Geräten nutzen, um Arbeit digital zu steuern und zu kontrollieren. Für die Zuweisung von Arbeitsaufgaben werden Daten über Qualifikationen, die Kapazität der Beschäftigten, ihre Standorte und Arbeitsfortschritte genutzt. Führungskräfte können oft jederzeit Daten über Arbeitstätigkeiten einsehen. Beschäftigte nehmen mobile Technologie als Überwachungsinstrument wahr. In manchen Betrieben wurden manuelle Zeitbuchungen in der App mit digitalen Standortdaten abgeglichen. Bei Sicherheitspersonal wurden die Routen von Rundgängen überprüft. In einer Reinigungsfirma wurden gar die zurückgelegten Schritte ausgewertet. In einem weiteren Betrieb wurden Beschäftigte auf Verhaltensweisen außerhalb der Arbeitszeit angesprochen.
  • Die erfassten Daten werden vielfach zur individuellen Leistungsbewertung genutzt – etwa für einen Vergleich der durchschnittlich benötigten Zeit für Arbeitsaufträge mit Zielvorgaben oder Durchschnittswerten der Belegschaft. In der Reinigung erfolgte dies auf Minutenniveau. Teils wurden die Daten für die leistungsbezogene Entlohnung genutzt. Mehrfach wurden Daten, die ursprünglich nicht für diese Zwecke erhoben wurden, für die Bewertung von Pünktlichkeit, Reaktionszeiten und Arbeitsgeschwindigkeit missbraucht – oder gar für „negative Entscheidungen“ über Beschäftigte – von formellen Verwarnungen bis zu Kündigungen.

Risiken und Nebenwirkungen für Beschäftigte

Eine Analyse der untersuchten Technologien und Praktiken entlang wesentlicher Themenfelder unter Einbeziehung zusätzlicher Literatur zeigt, dass Datenerfassung und algorithmische Kontrolle in nahezu jeder Hinsicht den Arbeitsalltag der Beschäftigten, ihre Arbeitsbedingungen und die Machtverhältnisse am Arbeitsplatz prägen können:

  • Eine kleinteilige digitale Strukturierung, Taktung, Steuerung und Kontrolle von Arbeitstätigkeiten schränkt Handlungs- und Ermessensspielräume ein. Die alltägliche Aushandlung darüber, wie Tätigkeiten durchgeführt werden, verschwindet im technischen System. Eine inadäquate digitale Abbildung von Arbeitstätigkeiten kann zu vielfachen Problemen führen. Im schlimmsten Fall entsteht eine algorithmische Willkürherrschaft, in der Beschäftigte bei zu engen Zeitvorgaben die starren Anforderungen eines wirklichkeitsfremden und dysfunktionalen Systems erfüllen müssen.
  • Automatisierte Entscheidungen, Vorschläge oder Prognosen können fehlerhaft, unzuverlässig, diskriminierend oder intransparent sein. Möglicherweise gibt es keine Einspruchsmöglichkeiten und niemanden, wer sie erklären kann. Die Verantwortung für Fehler wird möglicherweise auf die Beschäftigten abgeschoben.
  • Eine rigide digitale Steuerung entkoppelt Arbeitstätigkeiten von den Gründen, diese durchzuführen. Dies unterminiert Sinnstiftung und führt zu einer Degradierung von Arbeit. Erfahrungswissen kann bis zum Verlust der Entscheidungsfähigkeit verloren gehen. Datenerfassung und eine Verlagerung von Wissen ins technische System führen zu einer Zentralisierung von Kontrolle und verschieben damit Machtverhältnisse. Sie erleichtern Standardisierung, Rationalisierung, Ersetzbarkeit, Auslagerbarkeit und eine einseitige Reorganisation von Arbeit für die Maximierung von Produktivität oder Kostensenkung. Potenzielle mittelfristige Folgen beinhalten eine Dequalifizierung bis hin zum Druck auf die Löhne.
  • Während die technische Strukturierung, Fragmentierung und Zerstückelung von Arbeit eine lange Geschichte hat, wird sie mit digitalen Technologien wirkmächtiger – und kann auf neue Tätigkeitsbereiche übertragen werden. Mobile Apps im Außendienst machen Tätigkeiten und Verhaltensweisen digital nachvollziehbar, die früher nicht zugänglich waren. In Kombination mit digitalen Arbeitsanweisungen und Funktionen zur Automatisierung und Rückkopplung in Echtzeit ermöglichen sie eine engmaschige Steuerung und Kontrolle.

Potenzielle Nebenwirkungen einer algorithmische Einsatz- und Terminplanung:

  • Wenn eine Optimierung ausschließlich für betriebliche Ziele erfolgt, entstehen dichte Terminpläne ohne Puffer. Damit wird das Risiko ungeplanter Verzögerungen auf die Beschäftigten abgewälzt, die unter dem Druck stehen, die Anforderungen trotzdem zu erfüllen. Der Druck erhöht sich, wenn Verzögerungen als individuelles Versagen behandelt werden, eine Rechtfertigung eingefordert wird oder gar Sanktionen erfolgen.
  • Wenn Beschäftigte, weil nicht anders möglich, das System „kreativ“ nutzen, setzen sie sich Manipulationsvorwürfen aus. Sie verlagern möglicherweise sogar Arbeit in die unbezahlte Freizeit.
  • Eine oftmalige Neuoptimierung der Einsatz- und Terminpläne führt zu unvorhersehbaren Arbeitstagen. Das Versprechen, Aufträge jederzeit flexibel mit den verfügbaren Arbeitskräften abzustimmen, kann dazu führen, dass für akute Einsätze oder insgesamt zu wenig Personal zur Verfügung steht. Eine algorithmische Einsatzplanung kann außerdem zu Personalabbau in der Disposition und damit von Ressourcen zur Unterstützung und Betreuung führen. Allgemein kann sie Teilzeitarbeit und atypische Beschäftigung begünstigen.

Datenerfassung, digitale Überwachung und Leistungskontrolle:

  • Überwachung greift in Privatsphäre, Autonomie und Menschenwürde ein. Außerdem besteht das Risiko einer schleichenden Ausweitung der Datenerfassung auf weitere Zwecke und des Missbrauchs durch den Betrieb für unzulässige Zwecke. Daten können selektiv für willkürliche Disziplinierung missbraucht oder Beschäftigte gar unter Generalverdacht gestellt werden. Überwachung schürt Misstrauen im Betrieb.
  • Während Überwachung – oder auch nur der Eindruck davon – grundsätzlich Druck auf Beschäftigte ausübt, sich wie erwünscht zu verhalten, kann dieser Anpassungsdruck durch systematische Leistungs- und Verhaltenskontrolle intensiviert werden. Dabei werden etwa Leistungskennzahlen mit Zielvorgaben verglichen. Bei der Rückmeldung an Beschäftigte werden positive oder negative Konsequenzen in Aussicht gestellt. Ein intensiver Anpassungsdruck kann sich durch offen kommunizierte Leistungskennzahlen, Zielvorgaben und „Anreizsysteme“ wie etwa einer leistungsbezogenen Entlohnung ergeben, aber auch durch informelle, willkürliche oder unzulässige Belohnungen oder Bestrafungen – von beiläufigen Ermahnungen bis zur Kündigung.
  • Kennzahlen sind nie „neutral“ oder „objektiv“, sondern bilden die Wirklichkeit grundsätzlich einschränkt und verzerrt ab. Ihre Aussagekraft wird von denen geprägt, die sie definieren. Sie können Fehlanreize setzen – wenn etwa für die Kennzahlen gearbeitet wird anstatt die Arbeit gut zu machen. Für Beschäftigte besteht das Risiko, dass sich Leistungskennzahlen auf Umstände außerhalb ihrer Kontrolle beziehen.

Indirekte Steuerung und Verlagerung von Kontrolle auf Teams, Kundenbetriebe oder die Beschäftigten selbst:

  • Mit mobilen Apps kann Leistungs- und Verhaltenskontrolle auf die Beschäftigten selbst verlagert werden, etwa durch unmittelbare Rückmeldungen über ihre Arbeitsleistung in Echtzeit. Auch digitale Gestaltungselemente wie Erinnerungen, Warnmeldungen oder gar Timer können Druck ausüben.
  • Leistungsbezogene Entlohnung verlagert Leistungs- und Verhaltenskontrolle ebenfalls auf die Beschäftigten selbst und lagert zumindest einen Teil der geschäftlichen Risiken an sie aus. Ein dystopisches Szenario – in der Plattformarbeit jedoch bereits Realität – ist die algorithmische Entlohnung, bei der zur Beeinflussung von Verhalten nach mehr oder weniger willkürlichen Kriterien personalisierte Löhne ausbezahlt werden.
  • Auch Leistungs- und Verhaltenskontrolle auf der Ebene von Gruppen kann Druck ausüben. Leistungskennzahlen für Teams stellen einerseits eine individuelle Bewertung der Teamleiter:innen dar, die den Druck weitergeben. Andererseits kann Kontrolle durch Gruppendruck auf alle Mitglieder des Teams verlagert werden.
  • Wenn Gruppen oder Einzelne innerbetrieblich in Konkurrenz gesetzt werden, kann das die Solidarität unter den Beschäftigten unterminieren.
  • Eine Bewertung von Beschäftigten anhand der „Kundenzufriedenheit“ kann eine Art von Quantifizierung affektiver Arbeit darstellen und verlagert Kontrolle an die Kundenbetriebe, die die Arbeit bewerten. Auch ein Datentransfer in die umgekehrte Richtung in Form einer Weitergabe von Beschäftigtendaten an Kundenbetriebe kann digitale Kontrolle von Arbeitgeber:innen auf Dritte verlagern.

In Summe führen viele der beschriebenen Problematiken potenziell zu einer Beschleunigung, Intensivierung und Verdichtung von Arbeit. Dies kann zu Stress und psychischer Belastung führen und allgemein zu negativen Auswirkungen auf die Arbeitsgesundheit und -sicherheit. Sowohl die Akzeptanz technischer Systeme als auch das Vertrauen gegenüber dem Betrieb, das Betriebsklima und die Attraktivität als Arbeitgeber:in können darunter leiden. Dies kann negative Folgen für Motivation und Einsatz und nicht zuletzt auf die Qualität der geleisteten Arbeit haben – und damit auf fundamentale Bedingungen für betrieblichen Erfolg. Neben einer potenziellen Unterminierung der Rechte, Freiheiten und Menschenwürde der Beschäftigten können sich Datenauswertung und algorithmische Kontrolle vielfach auf die Machtverhältnisse in der Arbeitswelt auswirken – in einzelnen Betrieben, ganzen Branchen und gesamtgesellschaftlich.

Was tun? Handlungsspielräume und -optionen für den Betriebsrat

Auf Grundlage der Untersuchung von Technologien und Praktiken im Außendienst, ihrer potenziellen Auswirkungen und unter Einbeziehung von Interviews mit gewerkschaftlichen Expert:innen wurden Handlungsoptionen für die Interessenvertretung im Betrieb abgeleitet. Die Studie ist kein umfassender Ratgeber für Praxis und verweist auf entsprechende Literatur, diskutiert aber einige wesentliche Anhaltspunkte dafür, wie ein Betriebsrat den Einsatz digitaler Technologien im Außendienst mitgestalten und damit ihre Risiken und Nebenwirkungen entschärfen kann.

Den wichtigsten rechtlichen Rahmen für den Betriebsrat bilden das Datenschutzrecht in Form der DSGVO und das österreichische Arbeitsverfassungsgesetz, das weitreichende Informations-, Mitbestimmungs- und Kontrollrechte einräumt. Beide greifen ineinander:

  • Der Betrieb ist verantwortlich für die Einhaltung der DSGVO. Weiß er nicht jederzeit exakt, wie und für welche Zwecke etwa ein cloudbasiertes System Beschäftigtendaten verarbeitet, kann es nicht eingesetzt werden.
  • Dreh- und Angelpunkt für die Verhandlung ist jedoch eine Betriebsvereinbarung zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat, die beim Einsatz aktueller Außendienst-Software nach dem Arbeitsverfassungsgesetz nahezu immer erforderlich ist. Ohne Betriebsvereinbarung ist ein Einsatz unrechtmäßig. Darin wird genau festgehalten, wie ein System funktioniert, wie es verwendet werden darf, welche personenbezogenen Beschäftigtendaten für welche Zwecke verarbeitet werden, welche Schutzmaßnahmen es gegen Missbrauch gibt und wie der Betriebsrat die Einhaltung kontrollieren kann – etwa durch Einsichtsrechte in Zugriffsprotokolle.
  • Der Inhalt einer Betriebsvereinbarung ist frei verhandelbar, muss aber jedenfalls alle rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Darüber hinaus ist der Inhalt eine Frage der Verhandlungsmacht des Betriebsrats. Diese wird unterstützt durch überzeugende Argumente über die Sinnhaftigkeit oder Nebenwirkungen bestimmter Maßnahmen, einen guten Rückhalt in der Belegschaft und gewerkschaftliche Unterstützung.

Am Beginn der Verhandlung steht die Frage, wie Arbeit überhaupt organisiert und gestaltet werden soll:

  • Am besten erfolgt keine Zerlegung oder technische Untergliederung von Arbeitsaufträgen in einzelne Aufgaben, die meist wirklichkeitsfremd ist. Die digitale Dokumentation von Tätigkeiten soll auf einer möglichst groben Ebene erfolgen. Die Beschäftigten sollen nie 100% ihrer Arbeitszeit auf bestimmte Tätigkeitskategorien buchen müssen, sondern beispielsweise nur 80%. Wo Zeitvorgaben notwendig sind, etwa für die Planung von Terminen, sollen diese Richtzeiten sein. Beschäftigte sollen sich nicht für jede Minute rechtfertigen müssen. Die Richtzeiten müssen bewältigbar sein. Es muss genügend Spielraum für Unwägbarkeiten bleiben.
  • Auch bei einer algorithmischen Termin- und Einsatzplanung kann die Frage gestellt werden, inwieweit diese überhaupt notwendig ist. Wenn sie eingesetzt werden soll, dann am besten als Assistenzsystem. Die Disponent:innen müssen genügend Zeit haben, die Planung zu prüfen und den Mitarbeiter:innen im Außendienst unterstützend zur Seite zu stehen. Es muss sichergestellt werden, dass Zeitabweichungen nicht zu einem konstanten Rechtfertigungszwang führen. Eine algorithmische Optimierung entlang definierter Ziele muss das Beschäftigtenwohl berücksichtigen. Damit genügend Puffer für Unwägbarkeiten bleibt, könnte als Zielwert für die Auslastung etwa 80% festgelegt werden. Wo Prognosen über Fahrzeiten in eine algorithmische Einsatzplanung einfließen, könnte ebenfalls ein Puffer von 20% auf die Prognosen aufgeschlagen werden.
  • Um unvorhersehbare Arbeitstage zu verhindern, sollte eine permanente Neuoptimierung innerhalb eines Arbeitstages entweder nicht erfolgen oder möglichst selten. Für kurzfristige Einsätze muss genug Personal und Budget zur Verfügung stehen. Es könnte ausverhandelt werden, dass den Beschäftigten freigestellt ist, ob sie einen außerplanmäßigen Einsatz annehmen oder dass diese als Mehr- oder Überstunden verrechnet werden. Es kann auch festgehalten werden, dass eine Einführung des Systems nicht zu Personaleinsparungen führt.
  • Beim Einsatz einer algorithmischen Einsatzplanung muss außerdem geklärt werden, welche Beschäftigtendaten einfließen dürfen. Wenn Profiling oder automatisierte Entscheidungen im Sinne der DSGVO erfolgen, müssen die Zulässigkeit geprüft und besondere Vorkehrungen getroffen werden. Eine komplette Automatisierung vom Eingang eines Auftrags bis zur Zuweisung an Beschäftigte ist rechtlich kaum denkbar.
  • Bei der Gestaltung der mobilen App muss berücksichtigt werden, dass digitale Elemente wie Erinnerungen, Warnmeldungen, Zeitvergleiche oder gar Timer Druck ausüben und als Disziplinierungsinstrumente wirken können. Sie sollen, wenn, dann der Unterstützung der Beschäftigten dienen und abschaltbar sein.

Überwachung und Kontrolle von Arbeitsleistung und Verhalten:

  • Personenbezogene Auswertungen oder Analysen sollten in einer Betriebsvereinbarung grundsätzlich ausgeschlossen werden, es sei denn, sie sind ausdrücklich angeführt. Es kann festgelegt werden, dass ein System grundsätzlich nicht zur Leistungsbeurteilung, Verhaltenskontrolle oder zur Steigerung des Arbeits- und Leistungsdrucks verwendet werden darf. Wo Betriebe offen das Begehr nach systematischer Leistungs- und Verhaltenskontrolle äußern, kann dies hinterfragt, diskutiert, entschärft und gestaltet werden. Die in der Studie entwickelte Systematik „Formen der Leistungskontrolle“ kann bei der Einschätzung helfen. Invasive Datenpraktiken wie eine KI-basierte Prognose künftiger Arbeitsleistung auf Basis von Profiling und vergangenen Verhaltensdaten sollten nicht eingesetzt werden. Die Gefahr eines Missbrauchs ist schlicht zu hoch.
  • Personenbezogene Datenverarbeitung muss nach der DSGVO für einen bestimmten Zweck notwendig und verhältnismäßig sein und darf nicht zu tief in die Rechte und Freiheiten der Beschäftigten eingreifen. Technische Kontrollsysteme dürfen nach dem Arbeitsverfassungsgesetz nicht zu tief in die Menschenwürde eingreifen. Kontrollmaßnahmen erzeugen Druck zur Anpassung des Verhaltens. Die Intensität von Kontrolle darf im Verhältnis zum Zweck nicht überschießend sein. Was dies in der Praxis bedeutet, ergibt sich aus der vergangenen Rechtsprechung. Eine permanente Überwachung kleinteilig untergliederter Arbeitstätigkeiten oder eine Nutzung sensibler Daten über Bewegungen, Kommunikation, Körper oder gar Emotionen für die Bewertung von Beschäftigten wird rechtlich schnell problematisch.
  • Eine Herausforderung stellen personenbezogene Auswertungen dar, die der Arbeitsorganisation dienen sollen, aber auch für die Leistungs- und Verhaltenskontrolle missbraucht werden können. Explizit formulierte Verbote in der Betriebsvereinbarung (z.B. Verbot der „Ableitung arbeitsrechtlicher Maßnahmen“) können durch Verhaltensregeln ergänzt werden, die etwa ein Ansprechen auf Zeitüberschreitungen untersagen. Für den Zugriff auf digitale Protokolle beim begründeten Verdacht auf Fehlverhalten kann neben der sogenannten „stufenweisen Kontrollverdichtung“ vereinbart werden, dass dies nur im Beisein des Betriebsrats erfolgt.
  • Bei Auswertungen auf der Gruppenebene, die keine personenbezogenen Daten mehr darstellen, gilt die DSGVO nach wie vor, wenn dafür personenbezogene Daten verarbeitet werden. Wenn die Gruppen zu klein sind, kommt die DSGVO direkt ins Spiel – ebenso wenn Daten über Teams gleichzeitig personenbezogene Leistungsbewertung der jeweiligen Teamleitung darstellen. Leistungskennzahlen für Gruppen können indirekt starken Druck ausüben und sollten darum auch abseits datenschutzrechtlicher Zulässigkeit diskutiert werden.
  • Die Weitergabe von Beschäftigtendaten an Drittfirmen kann zu einer Verlagerung von Kontrolle auf diese Drittfirmen führen. Auch Datenflüsse in die Gegenrichtung können Teil einer Verlagerung von Kontrolle sein – wenn etwa Rückmeldungen von Kundenbetrieben für die Bewertung der Beschäftigten genutzt werden.

Rechtliche Hebel für die Verhandlung abseits von Beschäftigtendatenschutz:

  • Für viele Problematiken, die sich aus dem Einsatz von algorithmischer Steuerung und Kontrolle über mobile Apps im Außendienst ergeben können, kann neben Datenschutz und Arbeitsverfassung ein weiterer rechtlicher Hebel in der Verhandlung genutzt werden. Das österreichische ArbeitnehmerInnenschutzgesetz verpflichtet Betriebe dazu, negative Auswirkungen eines technischen Systems auf die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu prüfen und Maßnahmen zu ergreifen, diese zu minimieren. Das beinhaltet psychische Belastungen wie Stress durch Zeitdruck und Arbeitsüberlastung, automatisierte Zeitvorgaben und automatisierungsbedingte Arbeitsverdichtung, fragmentierte und zerstückelte Arbeitstätigkeiten und unnachvollziehbare Abläufe, wenig Einfluss auf den Arbeitsprozess oder fehlende Entscheidungsfreiheit – und grundsätzlich durch das Überwachungspotenzial, das digitalen Systemen innewohnt. Auch unzuverlässige, fehleranfällige, dysfunktionale oder unpassender Software kann Stress erzeugen. Im Betrieb kann eine regelmäßige Evaluierung der eingesetzten digitalen Technologien und Praktiken im Außendienst vereinbart werden.
  • Auch die im Arbeitsverfassungsgesetz definierten Mitwirkungsrechte bei Änderungen der Arbeitsorganisation, der Einführung neuer Arbeitsmethoden oder von „Rationalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen von erheblicher Bedeutung“ können als Hebel für die Mitgestaltung algorithmischer Technologien dienen.

Aushandlung jenseits rechtlicher Hebel:

  • Eine von Softwareherstellern geprägte und einseitig von Arbeitgeber:innen gestaltete Digitalisierung kann vielfältige direkte und indirekte Folgewirkungen haben. Es empfiehlt sich, auch jenseits rechtlicher Rahmenbedingungen genau darauf zu achten, wie Informationstechnologie den Alltag und die Bedingungen am Arbeitsplatz verändern könnte oder wird. Wo knappe Zeitvorgaben oder Funktionen digitaler Technologien zu einer erhöhten Produktivität und Arbeitsintensität führen oder Auswirkungen auf die künftige Verhandlungsmacht der Beschäftigten haben, kann dies etwa mit Forderungen in anderen Bereichen verknüpft werden – von den Arbeitsbedingungen bis zur Entlohnung.
  • Ein Betriebsrat benötigt Rückhalt in der Belegschaft. Bewusstseinsbildung und Mobilisierung sind entscheidend bei der Aushandlung von Digitalisierung. Im Konfliktfall kommen neben einer gerichtlichen Vorgangsweise mit gewerkschaftlicher Unterstützung auch unkonventionelle innerbetriebliche Mobilisierungsmaßnahmen oder eine öffentliche Diskussion problematischer Praktiken in Frage.

Die Studie diskutiert weitere Aspekte, die ein Betriebsrat berücksichtigen kann und sollte – vom Einsatz generativer KI und Microsoft Copilot bis zur Rolle von Datenerfassung, Leistungskennzahlen und Quantifizierung bei der gezielten Förderung von innerbetrieblicher Konkurrenz und anderen Mechanismen der „indirekten“ Steuerung.

Handlungsoptionen für Gewerkschaften, Politik, Forschung und andere Akteur:innen

Manche Herausforderungen können kaum auf der Ebene einzelner Betriebe bewältigt werden. Während die vorliegende Studie nicht auf eine Ausarbeitung umfassender Handlungsempfehlungen abzielt, werden auf Grundlage der Untersuchung und unter Einbeziehung von Interviews mit Expert:innen aus der gewerkschaftlichen Beratungspraxis und Interessenpolitik einige überbetriebliche Handlungsoptionen skizziert:

  • Um die Risiken für Beschäftigte zu minimieren und deren Einbindung zu gewährleisten, benötigen Betriebsrät:innen ausreichend Ressourcen, mehr Wissen, Beratung und Expertise – auch auf Kosten des Betriebs.
  • Arbeits- und datenschutzrechtliche Regelungen müssen besser durchgesetzt werden. Die Interessenvertretungen der Beschäftigten benötigen Verbandsklage- und Vertretungsrechte für die DSGVO-Durchsetzung.
  • Stress, psychische Belastung und andere Risiken algorithmischer Steuerung müssen besser berücksichtigt werden – durch Arbeitsplatzevaluierung, Mitwirkung abseits des Datenschutzes und gesetzliche Klarstellungen.
  • Rechtliche Unklarheiten, Auslegungslücken und Mängel müssen behoben werden, u.a. bezüglich automatisierter Entscheidungen, KI-Training mit Beschäftigtendaten, Einsatz rechtswidriger Daten gegen Beschäftigte.
  • Die europäische KI-Verordnung muss in Österreich und auf europäischer Ebene so ausgestaltet und umgesetzt werden, dass sie besser auf die Risiken in der Arbeitswelt ausgerichtet wird und Lücken geschlossen werden.
  • Die Anbieter cloudbasierter Software müssen mehr für invasive Funktionen und Empfehlungen verantwortlich gemacht werden – mit Druck durch öffentliche Debatte und politischen Lösungen für rechtliche Mithaftung.
  • Wo die Marktmacht dominanter Anbieter betrieblicher Software wie Microsoft die Rechtsdurchsetzung und damit demokratische Kontrolle verhindert, muss deren Marktmacht rechtlich und politisch gebrochen werden.
  • Alte gewerkschaftliche Erfahrungen über die Aushandlung von Automatisierung, Zeitvorgaben, Arbeitsintensität und Produktivität müssen auf digitale Arbeitsorganisation und neue Tätigkeitsbereiche umgelegt werden.
  • Gewerkschaften, Wissenschaft oder Softwareanbieter könnten prototypisch „beschäftigtenfreundliche Algorithmen“ entwickeln, deren „Optimierungsziele“ das Wohl der Beschäftigten prominent berücksichtigen.
  • Es besteht vielfältiger Forschungsbedarf zu Interessenvertretung und Mitbestimmung unter den Bedingungen einer Ausweitung betrieblicher Datenerfassung, digitaler Steuerung, algorithmischen Technologien und „KI“ samt deren Auswirkungen auf Beschäftigte, ganze Branchen und Machtverhältnisse in der Arbeitswelt.
  • Die Politik muss sicherstellen, dass nicht ausgerechnet im öffentlichen Einflussbereich – wie etwa in der mobilen Pflege –eine rigidere Form der digitalen Kontrolle mit engen Zeitvorgaben praktiziert wird als anderswo.
  • Starke Betriebsräte und Gewerkschaften sind entscheidend für eine demokratische Gestaltung der Digitalisierung in der Arbeitswelt. Gegenmacht braucht Mobilisierung, Bewusstseinsarbeit, öffentliche Debatte.