Was sich aus unseren Einkäufen, Telefonaten und Facebook-Likes berechnen lässt. Wie tausende Unternehmen heimlich unser Alltagsverhalten überwachen, uns penibel einordnen und bewerten – und unsere intimsten Details an Handel, Versicherungen, Finanz- und Personalwirtschaft verkaufen. Und: Was passieren muss.
Die Studie behandelt das brisante Thema unserer Privatsphäre im Zeitalter von Online Tracking, Big Data und dem Internet der Dinge. Es ist der Versuch einer Bestandsaufnahme: In welcher Form werden unsere Daten 2014 durch Unternehmen digital erfasst, analysiert und verwertet? Wie könnte kommerzielle Überwachung künftig unseren Alltag prägen? Und: Was tun?
Die Studie wurde von "Cracked Labs" – einem Wiener Forschungsinstitut und Kreativlabor - im Auftrag der Konsumentenschutz-Abteilung der Arbeiterkammer - der gesetzlichen Interessensvertretung der österreichischen ArbeitnehmerInnen - erstellt. Sie enthält viele Fakten und Beispiele, die im deutschen Sprachraum noch nie so umfassend dargestellt worden sind - und möchte als Grundlage für die weitere Debatte zum Thema dienen.
Auszug aus den Inhalten
Verhaltensprognosen, Analyse und Verknüpfung persönlicher Daten:
- Vorhersage von Geburtsterminen aus dem Einkaufsverhalten
- Was allein auf Basis von Facebook-Likes berechnet werden kann
- Abschätzung von Charaktereigenschaften aus Anruf- und SMS-Daten
- Vorhersage zukünftiger Aufenthaltsorte auf Basis vergangener GPS-Daten
- Einschätzung von Emotionen aus der Analyse der Tipp-Dynamik
Einsatz von Big Data in Handel, Versicherungs-, Finanz- und Personalwirtschaft:
- Bonitätsbewertung mit Online-Daten
- Personalentscheidungen und Auswertung der Arbeitsleistung mit Big Data
- Preisdiskriminierung: Individuelle Preise in Online-Shops
- Prognose von Krankheitsrisiken aus Konsumverhalten
Datenhungrige Geräte und Plattformen:
- Smartphones und Apps: Spione in der Hosentasche
- Günstigere Versicherung mit Überwachungs-Box im Auto
- Fitness-Tracker, Smartwatches und Wearables
- Weitergabe von Gesundheitsdaten an Versicherungen
- Von E-Book-Reader und Smart TV bis Stromzähler und Thermostat
- Vernetzte Zahnbürsten, biometrische Kopfhörer und elektronische Tattoos
- Ortungsgeräte für Angestellte und "elektronische Fussfesseln" für Babys
Das Geschäft mit den persönlichen Daten:
- Adresshandel im dt. Sprachraum (Bertelsmann, Otto, Deutsche Post)
- Wirtschaftsauskunfteien, Bonitätsbewertung und Scoring
- Internationale Player im Geschäft mit den persönlichen Daten
- Axciom, Datalogix, Lexis Nexis, Recorded Future
- Online Tracking und Werbenetzwerke: Die unbekannte Macht
- Flurry: Zugriff auf Daten von 1,4 Milliarden Smartphones und Tablets
Schlussfolgerungen, und: Was tun?
- Gesellschaftliche Folgen von kommerzieller digitaler Überwachung
- Handlungsempfehlungen für Politik, Öffentlichkeit, Unternehmen und BürgerInnen
Hintergrund und Aufgabenstellung
Durch die rasante Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien dringt die Erfassung persönlicher Daten und immer mehr in den Alltag ein. Unsere Vorlieben und Abneigungen werden heute in einem Ausmaß digital gespeichert, verarbeitet und verwertet, das bis vor wenigen Jahren undenkbar war. Laut der ehemaligen EU-Kommissarin für Verbraucherschutz Meglena Kuneva sind persönliche Daten „das neue Öl des Internets und die neue Währung der digitalen Welt“ . Einzelne Personen werden über Geräte und Plattformen hinweg wiedererkannt, deren Verhalten und Bewegungen detailliert ausgewertet, Persönlichkeit und Interessen akribisch analysiert. Ob via Kundenkarten, Smartphones oder im Netz – überall werden digitalen Spuren hinterlassen. Immer mehr Geräte sind heute mit Sensoren ausgestattet, mit dem Internet verbunden und ermöglichen so umfassende Einblicke in das Leben ihrer NutzerInnen. Gleichzeitig lassen sich im Zeitalter von Big Data mit automatisierten Methoden schon aus rudimentären Metadaten über Kommunikations- und Online-Verhalten umfangreiche Persönlichkeitsprofile erstellen.
Aufstrebende Firmen in den Feldern soziale Netzwerke, Online-Werbung, mobile Apps oder Fitness arbeiten mit Hochdruck an Geschäftsmodellen, die auf der kommerziellen Verwertung der gesammelten Profile beruhen. Internationale Unternehmen agieren dabei teils unter Missachtung regionaler Datenschutzgesetze, oft gilt die Devise: Gemacht wird, was technisch möglich ist. Während die Einzelnen immer transparenter werden, agieren viele Unternehmen hochgradig intransparent – deren Services, Apps, Plattformen und Algorithmen sind zentralisiert und kaum durchschaubar. Darüber hinaus haben nicht nur die Enthüllungen von Edward Snowden gezeigt, dass auch staatliche Behörden und Geheimdienste gern auf die gesammelten Daten zugreifen. Die Privatsphäre ist heute gleichermaßen durch Unternehmen wie durch staatliche Behörden bedroht.
Die Studie zielte darauf ab, anhand von ausgewählten Problemfeldern und Beispielen einen fundierten Überblick über internationale Trends in der zunehmenden Erfassung und Verwertung von persönlichen Daten durch Unternehmen zu geben und mögliche Auswirkungen auf die NutzerInnen zu beschreiben. Schlussendlich sollten Antworten auf folgende Fragen gegeben werden: In welcher Form könnte kommerzielle digitale Überwachung zukünftig den Alltag prägen? Was sind die Risiken – sowohl für die Gesellschaft als auch für Einzelne? Und welche Handlungsoptionen ergeben sich daraus für Politik, Öffentlichkeit, Unternehmen und BürgerInnen?
Wolfie Christl
Wolfie Christl lebt in Wien und ist Web-Entwickler, Netzaktivist und Datenexperte. Er ist unter anderem Mitinitiator des international mehrfach ausgezeichneten Online-Spiels "Data Dealer" – das sich mit viel Witz und Ironie den Themen persönliche Daten, Überwachung und Datenschutz widmet. Er und sein Projekt wurden u.a. zitiert in der New York Times, Forbes, New Yorker, ThinkProgress und in vielen anderen Medien von Europa und den USA über Südamerika und Russland bis Indien.
» Website: wolfie.crackedlabs.org
» Pressefoto: photo_wolfie_christl.zip (770kB)
Institut für kritische digitale Kultur
Cracked Labs ist ein unabhängiges Forschungsinstitut und kreatives Labor mit Sitz in Wien und beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Informationstechnologie und Gesellschaft. Das Institut arbeitet gemeinnützig und wurde 2012 mit dem Ziel gegründet, eine partizipative und selbstbestimmte Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien und den offenen Zugang zu Wissen zu stärken - abseits von kommerziellen und staatlichen Interessen.
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